Das menschliche Gehirn nimmt im Durchschnitt nur etwa zwei Prozent des Körpergewichts ein, verbraucht aber 20 Prozent der Energie. Es handelt sich also um ein Organ, dass wie kein anderes in den Stoffwechsel involviert ist. Man sollte sich deshalb in Bezug auf sein geistiges Wohlbefinden Gedanken darüber machen, was man so zu sich nimmt. Dein Organismus kann schließlich nur verwerten, was ihm geboten wird.
Die Liste der Nahrungsmittel, die angeblich die geistige Leistungsfähigkeit steigern, ist lang. Studentenfutter ist dabei wohl eines der bekanntesten. Von Müslis über Smoothies bis hin zu Riegeln überall finden sich Vertreter, die als Hirn-Update angepriesen werden.
Folgenden Substanzen werden dabei besonderen Fähigkeiten zugeschrieben: Vitamin E soll ein Stimulans für Nervenzellen sein, die Synapsenfunktion wird durch Omega-3-Fettsäuren gestärkt, Folsäure hilft gegen Vergesslichkeit und die geringe Inzidenz an Alzheimer in Indien soll auf die curryreiche Nahrung zurück zu führen sein.
Was nun tatsächlich in welchem Umfang wirkt, ist trotz intensiver Forschung nicht wirklich geklärt. Zwar findet man hier und da einige Indizien, klare Antworten und Beweise bleiben aber aus.
Ein Problem des Ganzen ist, dass das Gehirn nicht nur das aktivste, sondern auch das komplexeste Organ des Körpers ist. Hinzu kommt, dass die beworbenen Nahrungsmittel wie Früchte oder Fisch voll mit tausenden von biologisch aktiven Stoffen sind, die sich mehr oder weniger auf das Hirn auswirken könnten. Eine ganz bestimmte Substanz und ihre spezifische Wirkung festzustellen ist eben nicht einfach.
In einem Artikel der Nature Review Neuroscience hat der Neurophysiologe Fernando Gomez-Pinilla die bisherigen Erkenntnisse in Sachen schlau machendes Futter zusammengefasst und bewertet.
Eindeutige Aussagen sucht man leider auch hier vergeblich. Stattdessen handelt es sich wiederum um einen Katalog an Indizien.
Die in Seefisch und Öl vorkommenden Omega-3-Fettsäuren könnten die Hirnleistung verbessern. Dies jedoch nur, wenn man zuvor unter einem Mangel dieser Stoffe litt. Die im Ginko und in Blaubeeren enthaltenen Flavonoide sind möglicherweise gut für die Merkfähigkeit. Folsäure und Vitamin B könnte Demenzen vorbeugen. Die Antioxidantien Vitamin C und E, so benannt, weil sie sehr reaktionsfreudige Sauerstoffradikale abfangen, wirken möglicherweise auch schützend auf Nervenzellen. Und auch Curcumin, das Currygewürz, wirkt eventuell vorbeugend gegenüber Alzheimer.
Leider basieren die bestehenden Studien fast ausschließlich auf Tierversuchen. Und auch wenn sich Mäuse nach einem Schlaganfall mittels Ginko besser erholten als ihre unbehandelten Artgenossen, kann man nicht zwangsläufig auf eine gleichartige Wirkung beim Menschen schließen.
Zudem sind einige Langzeitstudien an Menschen von Nahrungsmittelherstellern gesponsert. Hier sollte man also skeptisch sein. Am besten schneiden in Gomez-Pinillas Zusammenfassung noch die Omega-3-Fettsäuren ab, die zumindest bei psychischen Leiden sehr positive Effekte gezeigt haben. Weltweit sind viele Menschen mit diesen Fettsäuren unterversorgt. Und auch hierzulande ist Fisch nicht jedermanns Sache.
Die Nervenzelle ist wie keine andere Körperzelle in dem Maß abhängig von der Zusammensetzung ihrer Zellmembran, um eine reibungslose Informationsweiterleitung zu gewährleisten. Die Membranen selbst sind aus Fettsäuren aufgebaut. Omega-3-Fettsäuren bauen sich in diese ein und erhöhen deren Fluidität, die ebenfalls von Bedeutung für die Reizweiterleitung ist.
Viele glauben, dass sie ihre geistige Leistungsfähigkeit mit genügend Zucker zumindest zeitweise erhöhen können. Leider ist dies ein Trugschluss. Das Gegenteil ist der Fall.
Ein zu hoher Blutzucker stresst es das Hirn eher und verringert die geistige Leistungsfähigkeit. Das liegt daran, dass das Gehirn sich als wichtigstes Organ im Körper einfach nimmt, was es braucht. Im Falle eines zu niedrigen Blutzuckers werden körpereigene Reserven zuerst aufgebraucht. Die Leber synthetisiert währenddessen frischen Zucker. Schließlich geht es ans Körperfett. Erst wenn der gesamte Organismus kurz vor dem Hungertod steht, fängt auch das Gehirn an, sich zu drosseln.
Ein leichter Hunger führt im Gegenteil sogar zu einer Leistungssteigerung. Von einem evolutionsbiologischen Standpunkt aus gesehen, macht das auch Sinn. Es muss der auf neue Ideen kommen, dessen Nahrung knapp ist. Jemand der im Überfluss lebt, kann sich gemütlich zurücklehnen und das Hirn auch mal eine Weile ausschalten.
Viel Zucker hilft also auch nicht. Was lässt sich also tun?
Wer Unmengen an angeblich hirnverbessernden Nahrungsergänzungsmitteln zu sich nimmt, kann seinem Hirn womöglich sogar eher schaden denn helfen. Wer nämlich übermäßig viel Folsäure zu sich nimmt, steigert damit sein Krebsrisiko.
Die Devise lautet Vielseitigkeit und Ausgewogenheit. Das Gehirn hat sich über Jahrmillionen entwickelt und nimmt sich das, was es benötigt erst, wenn es das tatsächlich benötigt. Die entsprechenden Stoffe sollten dann in geeigneter Konzentration vorhanden sein.
Man sollte also auf eine ausgewogene Ernährung achten. Zuviel einer bestimmten Substanz kann schädlich sein. Eine wirkliche Verbesserung der Hirnleistung wird dadurch nicht bewirkt, jedoch kann man durch die Vermeidung von Mangelzuständen zumindest erreichen, dass das Gehirn sein Potential richtig ausschöpft.
(Quelle: - Gómez-Pinilla F.: Brain foods: the effects of nutrients on brain function. Nat Rev Neurosci. 2008 Jul;9(7):568-78. Review. - Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Nr. 30
Autor: mereaPraxis (Michael Fiolka)
Das Gehirn verbraucht etwa 20% der Ruheenergie des menschlichen Körpers.