Tina probiert's aus: EMS-Training - Muskelaufbau mit Strom


„Man kann mit EMS Trainingseffekte erzielen, die bis zu 18 Mal höher sind, als bei einem üblichen Fitnessstudio-Training.“ Das ist das verlockende Versprechen des Fitnesstrends EMS – Elektrostimulationstraining. Ich stelle keine weiteren Fragen und mache heute den Selbsttest.


(c) fin.de
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EMS kommt ursprünglich aus der Raumfahrt. Damit die Astronauten im All durch die fehlende Schwerkraft nicht massiv Muskeln abbauen, werden mit der EMS-Methode durch Reizstrom gezielte Muskelreize gesetzt. Diese bewirken eine sehr viel stärkere Muskelkontraktion, als man es mit normalem Training in der gleichen Zeit erreichen kann. Genau damit wirbt die EMS-Trainingsmethode auch für Nicht-Astronauten. Das Training gilt als so effektiv, weil über die Stromstimulation 95 % der Skelettmuskulatur zur gleichen Zeit aktiviert wird. Einmal die Woche 20 Minuten Training sind nach Aussage des Institutes ausreichend für meine Traumfigur.

BRRRRZZZZZ

Für das Training trage ich eine speziell verkabelte Funktionsweste und Gurte, über die Stromimpulse in meinen Körper geleitet werden. Nach Aussage meines Sohnes erinnere ich ihn an den Bösen von Spiderman. Gefährlich ist die Methode bei kompetenter Anwendung aber nicht. Es fühlt sich nur sehr ungewohnt an, als die Trainerin den ersten Impuls aktiviert. Es beginnt mit dem Gefühl von eingeschlafenen Füßen, das sich sehr schnell intensiv über den ganzen Körper ausbreitet. BRRRZZZ. Ich habe bei dem ersten Stromimpuls zu lange gewartet bis ich in die Übung gegangen bin und fühle mich einen Augenblick wie gelähmt. Es ist eine Frage des richtigen Rhythmus. Der Strom fließt pro Übung immer für vier Sekunden durch den Anzug, danach gibt es wieder für vier Sekunden Pause. Ganz ehrlich: Vier Sekunden haben sich noch nie so lange angefühlt! Insgesamt besteht das Programm aus 18 Kräftigungsübungen, die pro Muskelgruppe mehrmals wiederholt werden. Um die Intensivität der Übung an meinen Trainingszustand anzupassen, variiert die Trainerin zusätzlich die Stromstärke in den einzelnen Muskelgruppen an dem an ein Mischpult erinnerndes Gerät.

Reicht es denn nun, nur einmal die Woche 20 Minuten unter Strom zu stehen, um den Körper nach Wunsch zu erhalten? Ganz so simpel ist es nämlich nicht. Studien belegen zwar die Effektivität von EMS für den Muskelaufbau, aber es fehlen Studien zur Langzeitwirkung und außerdem sollte man das Training als Nicht-Astronaut nicht nur auf den Kraftaufbau reduzieren. Beim Training mit EMS entwickelt sich weder Kondition noch wird die Koordination von Bewegungen gefördert. Beides Punkte, die zu einem gesunden Training gehören. Eine Lösung bestünde darin, EMS mit anderen Bewegungsarten wie z. B. Laufen zu kombinieren. Einen weiteren Haken hat die Sache außerdem: Es ist teuer. Eine einzelne Trainingseinheit kostet ohne Vertrag 69,95 Euro. Und auch wenn man sich vertraglich für 6 Monate bindet ist man immer noch bei ca. 120 Euro pro Monat.

Insgesamt erinnert mich das Konzept ein wenig an andere verheißungsvolle Instant-Wahrheiten wie „Schlank im Schlaf“ oder „Ananasdiät: 5 Kilo weniger in drei Stunden“, die in die Irre führen. Habe ich auch schon alles mit mäßigem Erfolg ausprobiert und schlussendlich die Erfahrung gemacht, dass sich das wirklich gute Gefühl erst einstellt, wenn man mit Geduld und Schweiß etwas in seinem Leben geändert oder erreicht hat, worauf man stolz sein kann. Wie z. B. endlich den ersten Klimmzug zu schaffen oder die wöchentliche Joggingrunde auch wirklich alle sieben Tage zu laufen.

Mein Fazit: Mir würde auf lange Sicht beim Training mit EMS etwas fehlen: Nicht nur das befriedigende Gefühl danach, auch die Bewegung an der frischen Luft oder je nach Sportart die Motivation innerhalb der Gruppe. Für mich sind schönere Alternativen: Joggen, Liegestütze, Kniebeugen und Bauch-Übungen. Dafür brauche ich keinen Strom und es ist: Ganz einfach.