Dass Frauen in Deutschland im Durchschnitt sechs Jahre länger leben, ist weithin bekannt. Über die Ursachen herrschen aber immer noch Meinungsverschiedenheiten. Im Allgemeinen macht man biologische Ursachen dafür verantwortlich. Die Genetik lässt das vermeintlich starke Geschlecht einfach nicht länger leben. Dass diese Hypothese noch nicht bewiesen ist, wird gerne ignoriert.
Der Rostocker Demograph Marc Anton Luy wollte es genauer wissen. Sein Ansatz war dabei recht simpel. Wenn es tatsächlich ausschließlich auf die Biologie zurückzuführen sein sollte, dass Männer kürzer leben, so sollten sie das auch an den Orten tun, an denen die Lebensführung beider Geschlechter beinahe identisch ist.
Er wählte das Kloster als einen solchen Ort. Während Nonnen, genauso wie ihre weltlichen Vertreterinnen, eine durchschnittliche Lebenserwartung von 82 Jahren aufweisen, werden Mönche im Durchschnitt 80 Jahre alt. Das sind immerhin vier Jahre Unterschied zu ihren außerhalb lebenden Geschlechtsgenossen, die im Durchschnitt 76 Jahre alt werden.
Es war nicht immer so, dass Klostermitglieder Aussicht auf eine höhere Lebenszeit mitbringen konnten. Bis ins 19. Jahrhundert hatten vor allem Nonnen eine niedrigere Lebenserwartung als die Restbevölkerung, weil viele von ihnen als Krankenschwestern tätig waren.
Da zu dieser Zeit keine Medikamente für Tuberkulose und Typhus existierten, fielen viele Ordenschwestern solchen Krankheiten zum Opfer. Nun ist das Leben im Kloster aber geruhsamer und die medizinische Versorgung besser geworden.
Wenn man sich die Ergebnisse des Demographen betrachtet, ist erwiesen, dass eine genetische Komponente nur einen geringen Anteil an dem Unterschied der Lebenserwartungen hat. Ausschlaggebend ist die Lebensführung. Männer leben im Durchschnitt ganz einfach ungesünder. Sie gehen mehr Risiken ein, trinken öfter Alkohol, rauchen mehr und sterben in Folge dessen früher als Frauen.
Was kann man also tun?
Wenn man die Mönche selbst fragt, was sie denn glauben, worauf ihre höhere Lebenserwartung zurückgeführt werden kann, geben sie zwei Antworten. Zum einen ist es der geregelte Tagesablauf, der mehr Lebensjahre bescheren soll.
Tatsächlich hat Stress einen hohen Einfluss auf die eigene Gesundheit. Dabei ist vor allem der Stress schädlich, der als von außen aufgezwungen empfunden wird. Hat jemand viel Druck, aber das Gefühl, sich selbst dafür entschieden zu haben, nimmt er es weniger als Stress wahr als jemand, der sich den Umständen völlig ausgeliefert führt.
Wer sich nun dazu verleitet fühlt, im Sinne der Gesundheit seinen Job fallen zu lassen und in den Vorruhestand zu gehen, der sollte sich zuerst anhören, was die Mönche noch zu sagen haben.
Deren zweiter Grund für ein langes Leben ist nämlich dieser: Sie gehen nicht in Rente. Das Fehlen einer als sinnvoll empfundenen Tätigkeit kann genauso gesundheitsschädlich sein wie übermäßiger Stress. Männer sind jedenfalls nicht aufgrund ihrer mit auf den Weg gegebenen Gene dazu verdammt, kürzer als Frauen zu leben, zumindest bis zu einem gewissen Grad.
(Quelle: Marc Anton Luy: Leben Frauen länger oder sterben Männer früher? in Public Health Forum 14 (50))
Autor: mereaPraxis (Michael Fiolka)
Mönche scheinen zufriedener zu sein - und leben im Durchschnitt 4 Jahre länger